Als Adipositas bzw. Übergewicht (auch: Fettsucht oder Obesitas) wird eine zu den Essstörungen gehörende chronische Erkrankung bezeichnet, die weltweit in Besorgnis erregendem Umfang zunimmt und die laut WHO als die am meisten unterschätzte und vernachlässigte Gesundheitsstörung unserer Zeit gilt. Schätzungen zufolge ist die Adipositas aufgrund ihrer unmittelbaren Folgeerkrankungen in den Industrieländern für 5% aller Gesundheitskosten verantwortlich.

Als Übergewicht wird eine über das normale Maß hinausgehende Vermehrung des Körperfettes verstanden. Als Berechnungsgrundlage dient der Body Mass Index (BMI), der das Körpergewicht (Masse in Kilogramm) in Relation zur Körpergröße (Quadrat der Körperlänge in Metern) setzt.

Für die Beurteilung des Erkrankungsrisikos wird außerdem der Bauchumfang gemessen. Bei Frauen sollte er unter 80 Zentimeter, bei Männern unter 90 Zentimeter liegen.

Beispiel: Für eine 70 Kilogramm schwere Person wird das Körpergewicht durch das Quadrat von 1,70 m geteilt: BMI = 70 : 1,70² = 24,22

Als Kenngrößen dienen folgende Bezeichnungen:

  1. Untergewicht: Ein BMI unter 18,5; niedriger Risikofaktor
  2. Normalgewicht: Ein BMI zwischen 18,5 und 24,9; durchschnittlicher Risikofaktor
  3. Prä-Adipositas (Übergewicht): ein BMI von 25 bis 29,9, gering erhöhter Risikofaktor
  4. Adipositas Grad 1 (engl. Obesity): ein BMI von 30 bis 34,5; erhöhter Risikofaktor
  5. Adipositas Grad 2: BMI von 35 bis 39,9; hoher Risikofaktor
  6. Adipositas Grad 3: Ein BMI von 40 und höher; sehr hoher Risikofaktor

Idealgewicht: Bei Frauen ein BMI von 22, bei Männern ein BMI von 24 Seit einiger Zeit wird das Idealgewicht nicht mehr als unbedingt notwendig angesehen. Es genügt ein subjektives „Wohlfühlgewicht“, das allerdings im Rahmen des Normalgewichts liegen sollte.

Diese Einteilung erfolgt, um jene Personen zu identifizieren, die einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sind, die bereits oben erwähnten Erkrankungen zu entwickeln. Es ist allerdings zu beachten, dass der BMI nicht uneingeschränkt für alle Personen verwendet werden kann: Da Muskeln schwerer sind als Fett, haben sehr aktive Sportler häufig ein hohes Körpergewicht und damit einen BMI, der Übergewicht oder mehr angibt. Um solche Fehlinterpretationen zu verhindern, muss evtl. zusätzlich das Muskelmasse/Fett-Verhältnis berücksichtigt werden. Auch bei Kindern und Jugendlichen wird der BMI zur Diagnosestellung herangezogen, allerdings unter Zuhilfenahme geschlechts- und altersabhängiger Bewertungskurven (Perzentilen) modifiziert.

Wie die epidemiologischen Daten zeigen, nimmt die Adipositas in allen Ländern zu, in denen ein ausreichendes Nahrungsangebot zumindest für Teile der Bevölkerung vorhanden ist. Mögliche genetische Ursachen werden mit dem Argument verneint, dass sich der Genpool der Bevölkerung in den vergangenen ein bis zwei Jahrzehnten nicht signifikant geändert habe. Dies wird von anderer Seite mit dem Hinweis auf einen über Jahrmillionen wirksamen Selektionsdruck in Frage gestellt: Der Selektionsdruck machte den Menschen zum Meister im Energiesparen. Schon vor Jahrtausenden wurde er dort sesshaft, wo eine günstige Umgebung Ackerbau und bequemere Ernährung zuließ. Im Wesentlichen geschehe heute nichts anderes. Die Sesshaftigkeit beziehe sich auf die eigenen vier Wände, zu denen auch das Auto gezählt werden kann. So sei es kein Wunder, dass kaum eine der zahlreichen angebotenen Diäten nachhaltig wirke und dass kaum ein Programm zur Reduktion des Übergewichts bislang nachhaltig erfolgreich war.

Die Adipositas als komplexes Krankheitsbild betrifft alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen und beschränkt sich keineswegs auf die Industrieländer. Waren im Jahre 1995 weltweit noch 200 Millionen Erwachsene adipös, so waren es im Jahre 2000 schon 300 Millionen, davon 115 Millionen in Entwicklungsländern. Waren in Österreich 1991 noch 8,5% der Erwachsenen adipös, so waren es im Jahre 2000 schon 11%. Europaweit sind 10-20 % der Männer und 15-25 % der Frauen adipös. Dabei wird ein Anstieg der Adipositasprävalenz Richtung Süden und Osten beobachtet. Dies gilt auch für Österreich – mit der höchsten Anteil an Übergewichtigen im Osten des Landes und dem niedrigsten Anteil in Tirol und Vorarlberg.

In Deutschland wird seit Jahrzehnten ein Anstieg der Prävalenz beobachtet. So wies im Jahre 1999 nur noch die Hälfte bis ein Drittel der Bevölkerung einen medizinisch gewünschten BMI bis 24,9 auf. Studien aus den Jahren 1998 und 1999 zufolge waren 18,3 bis 24,5% der Bundesbürger miteinem BMI größer/gleich 30 adipös und 31,1 bis 48,7 % mit einem BMI zwischen 25 und 29,89 mäßig übergewichtig. Am 27. April 2004 teilte das Statistische Bundesamt mit, dass bereits 49 % der Deutschen über 18 Jahre im Jahr 2003 Übergewicht hatten. Das war ein Prozentpunkt mehr als 1999.

Die Adipositas ist mit- und hauptverantwortlich für ein gehäuftes Auftreten vieler Zivilisationskrankheiten. Sie erhöht das Risiko für Hypertonie (Bluthochdruck), Diabetes mellitus Typ 2 (Altersdiabetes, Zuckerkrankheit), Herzinfarkte, Schlaganfälle, Brustkrebs, Gallenblasenerkrankungen und Gicht und kann das Obstruktive Schlafapnoesyndrom verursachen. Die Gefährlichkeit einer Venenschwäche/Venenthrombose, ebenfalls durch Übergewicht bedingt, wurde lange Zeit verkannt. Die Adipositas stellt ein weltweit dermaßen zunehmendes Problem dar, dass die WHO ebenso wie die CDC inzwischen von einer globalen Epidemie bzw. Pandemie sprechen, die ebenso ernst genommen werden sollte wie jede zum Tode führende Infektionskrankheit.

Auch die seelischen Folgen der Adipositas sind gravierend; es treten oft psychische und sogar wirtschaftliche Schäden für die Betroffenen auf, weil Fettleibigkeit in unserer Gesellschaft nicht toleriert wird. Eine amerikanische Statistik besagt, dass Übergewichtige im Durchschnitt weniger verdienen und eine geringere Chance haben, jemals geheiratet zu werden.

Wenn es stimmt, dass es eine genetische Disposition zur Adipositas gibt, würde es der Betroffene naturgemäß schwer haben, schlank zu bleiben. Doch immerhin ist Ernährung in hohem Maße eine Gewohnheitssache. Für Patienten ohne psychische Krankheitselemente kann insofern eine einfache Information zur gesünderen Ernährung und zu mehr Bewegung durchaus Erfolg haben. Es ist allerdings wissenschaftlich nicht ganz gesichert, welche Ernährungsform am ehesten Abhilfe schafft. Meist wird zu mehr Ballaststoffen (s.a. Vollwertkost) geraten,und gesättigte Fette sollten durch Nahrungsmittel mit essentielle Fettsäuren ersetzt werden. Weiterhin wird Bewegung als ein sehr wichtiger Aspekt der Behandlung angesehen.

Natürlich helfen Ratschläge zu besserer Ernährung und Bewegung auch den psychisch Kranken. Falsche Ernährungsgewohnheiten, die allerdings eher psychisch bedingt sind (falsch essen aus Trauer, Frustration oder Versagenserleben, zu wenig Bewegung wegen Scham, Angst- und Panikstörungen oder soziale Isolation), lassen sich allerdings durch genügend langes Einüben von neuem Ernährungsverhalten (Ernährungsumstellung) oder durch „bessere“ Gewohnheiten schwerer ersetzen. Hier greift der Rat zu mehr Sport oder einer gesünderen Ernährung allein nicht.

Eine Therapie ist hier regelmäßig psychoanalytisch oder tiefenpsychologisch, häufig auch verhaltenstherapeutisch angeraten. Selbsthilfegruppen können hier unterstützend wirken. Das Ziel einer Therapie muss es sein, die individuellen Ursachen für die Essstörung zu identifizieren und alternative Verhaltensweisen anzubieten, ohne weitere Schuldgefühle zuzuweisen bzw. dem Patienten einfach nur Dummheit oder Unwillen vorzuwerfen.