Das Reinheitsgebot ist eine gesetzliche Regelung über erlaubte Inhaltsstoffe im Bier, vorwiegend im deutschsprachigen Raum. Das Reinheitsgebot lässt sich im Wesentlichen auf folgenden Nenner bringen: „Ins Bier gehören nur Hopfen, Malz und Wasser“

Das Reinheitsgebot hat eine mittlerweile gut fünfhundert Jahre alte Geschichte. Im Laufe dieser Zeit hat es drei wesentliche Ausprägungen durchlebt.

  • Das bayerische Reinheitsgebot von 1516 ist eine der ältesten lebensmittelrechtlichen Regelungen überhaupt, die im Unterschied zu früheren Brauordnungen landesweit verordnet wurde.
  • Die Übernahme in nationales Recht, insbesondere das Deutsche Reinheitsgebot, ist definiert im deutschen Biersteuergesetz. Dies erfolgte im Jahr 1906 – gegen heftigen Protest der deutschen Brauwirtschaft, die zwar das „Surrogat-Verbot“ (das Verbot von Zucker oder unvermälztem Getreide in der Bierherstellung) akzeptierte, sich aber gegen eine reichsweite Harmonisierung der Biersteuer auf das bayerische Niveau sträubte.
  • Die Überführung in EU-Recht im Zuge der Liberalisierung des EG-Binnenmarktes. Die erlaubten Zusatzstoffe werden in der „Zusatzstoffverordnung“ geregelt, Bier nach „Deutschem Reinheitsgebot“ wird als sog. „traditionelles Lebensmittel“ geschützt.

Zum Leidwesen der Bayern wurde das älteste Reinheitsgebot in Thüringen gefunden, es ist ganze 182 Jahre älter als das bis dahin älteste Reinheitsgebot, das in Bayern erlassen wurde. Bereits 1351 hielt ein Innungsartikel der Stadt Erfurt fest, dass „nyemant mit Rysich noch Stro bruwen sall“. Der Münchner Stadtrat übernahm die Aufsicht übers Bier erst 1363. Der erste bayerische Hinweis auf die Verwendung von Gerste, Hopfen und Wasser stammt aus dem Jahr 1453. Da war die Thüringer Verordnung schon fast 20 Jahre in Kraft. Sie wurde 1434 in der damaligen Landgrafenstadt Weißensee (Thüringen) verfasst und war Bestandteil einer Statuta thaberna (Wirtshausgesetz) genannten Verordnung. Deren 12. Artikel legt unter anderem fest, dass zum Brauen lediglich Hopfen, Malz und Wasser zu verwenden sind. Für den Fall der Zuwiderhandlung werden 2 Mark Strafe und ein vierwöchiges Verbot, die Stadt zu betreten, angedroht. Das Schriftstück wurde 1998 bei den Vorbereitungen für den 800. Jahrestag des Weißenseer Marktrechts im historischen Teil des Stadtarchivs gefunden, dass sich in der mittelalterlichen Runneburg befindet, nachdem es über Jahrzehnte am Standort Wernigerode des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt deponiert worden war.

Noch vor dem ersten „richtigen“ Reinheitsgebot gab es in vielen Städten Brauordnungen, die die Bierherstellung und den Bierausschank regelten.

So zum Beispiel eine Verordnung der freien Reichsstadt Nürnberg von 1290, die allerdings auf das Sparen von wertvollem, zu Brot verarbeitbaren Getreide und nicht auf die Reinheit des Bieres abzielte. 1409 erließ Landshut eine Brauordnung. Erst vor wenigen Jahren entdeckt wurde eine Stadtverordnung aus dem thüringschen Weißensee: Diese Wirtshausverordnung von 1434 definiert bereits Hopfen, Malz und Wasser als die alleinigen Inhaltsstoffe für Bier. Aus Regensburg stammt eine Brauordnung von 1453, die allerdings nur feststellt, was nichts im Bier verloren hatte: Samen, Gewürz, Gestrüpp, und dergleichen. München wurde 1447 aktiv, 1453 legte es zum erstenmal die alleinigen Inhaltsstoffe Gerste, Hopfen und Wasser fest. Die Brauer sollten prewen nur allein von gersten, hopfen und wasser und sonst nichts darein oder darunter thun noch sieden oder man straffte es.

Zwischen diesen Stadtverordnungen und dem bald folgenden „bayerischen“ Reinheitsgebot gibt es noch einen wichtigen Zwischenschritt: Herzog Georg der Reiche erließ für das Herzogtum Bayern-Landshut, das alte bayerische Kerngebiet, die Vorschrift, dass die Brauer nur Malz, Hopfen und Wasser verwenden durften – „bei Vermeidung von Strafe an Leib und Gut“.

Das bayerische Reinheitsgebot wurde am 23. April 1516 von dem bayerischen Herzog Wilhelm IV. (Bayern) in Ingolstadt erlassen. Dieser Erlass regulierte einerseits die Preise, andererseits die Inhaltsstoffe des Bieres. Es galt bis 1998 als das älteste Lebensmittelgesetz:

Item wir ordnen, setzen und wollen mit Rathe unnser Lanndtschaft das füran allenthalben in dem Fürstenthumb Bayrn auff dem Lande auch in unsern Stettn vie Märckthen da desáhalb hieuor kain sonndere ordnung gilt von Michaelis bis auff Georij ain mass über zwen pfennig müncher werung un von Sant Jorgentag biß auf Michaelis die mass über zwen pfennig derselben werung und derenden der kopff ist über drey haller bey nachgeferter Pene nicht gegeben noch außgeschenckht sol werden. Wo auch ainer nit Merrzn sonder annder pier prawen oder sonst haben würde sol erd och das kains weg häher dann die maß umb ainen pfennig schenken und verkauffen. Wir wollen auch sonderlichhen dass füran allenthalben in unsern stetten märckthen un auf dem lannde zu kainem pier merer stüchh dan allain gersten, hopfen un wasser genommen un gepraucht solle werdn. Welcher aber dise unsere Ordnung wissendlich überfaren unnd nie hallten wurde den sol von seiner gerichtsobrigkait dasselbig vas pier zustraff unnachläßlich so offt es geschieht genommen werden. jedoch wo ain brüwirt von ainem ainem pierprewen in unnsern stettn märckten oder aufm lande jezuzeutn ainen Emer piers zwen oder drey kauffen und wider unnter den gemaynen pawrfuolck ausschenken würde dem selben allain aber sonstnyemandes soldyemaßs oder der kopfpiers umb ainen haller häher dann oben gesetzt ist zugeben un ausschenken erlaube unnd unuerpotn.

Wir verordnen, setzen und wollen mit dem Rat unserer Landschaft, dass forthin überall im Fürstentum Bayern sowohl auf dem Lande wie auch in unseren Städten und Märkten, die keine besondere Ordnung dafür haben, von Michaeli (29. September) bis Georgi (23. April) eine Maß (bayerische, entspricht 1,069 Liter) oder ein Kopf (halbkugelförmiges Geschirr für Flüssigkeiten – nicht ganz eine Maß) Bier für nicht mehr als einen Pfennig Münchener Währung und von Georgi bis Michaeli die Maß für nicht mehr als zwei Pfennig derselben Währung, der Kopf für nicht mehr als drei Heller (gewöhnlich ein halber Pfennig) bei Androhung unten angeführter Strafe gegeben und ausgeschenkt werden soll.

Wo aber einer nicht Märzen – sondern anderes Bier brauen oder sonstwie haben würde, soll er es keineswegs höher als um einen Pfennig die Maß ausschenken und verkaufen. Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.

Wer diese unsere Androhung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Faß Bier, so oft es vorkommt, unnachsichtlich weggenommen werden.

Wo jedoch ein Gastwirt von einem Bierbräu in unseren Städten, Märkten oder auf dem Lande einen, zwei oder drei Eimer (enthält etwa 60 Liter) Bier kauft und wieder ausschenkt an das gemeinsame Bauernvolk, soll ihm allein und sonst niemand erlaubt und unverboten sein, die Maß oder den Kopf Bier um einen Heller teurer als oben vorgeschrieben ist, zu geben und auszuschenken.

Auch soll uns als Landesfürsten vorbehalten sein, für den Fall, dass aus Mangel und Verteuerung des Getreides starke Beschwernis entstünde, nachdem die Jahrgänge auch die Gegend und die Reifezeiten in unserem Land verschieden sind, zum allgemeinen Nutzen Einschränkungen zu verordnen, wie solches am Schluss über den Fürkauf ausführlich ausgedrückt und gesetzt ist.

Einer der Gründe für die Verordnung war neben der Preisregelung wohl wieder die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung: Der wertvollere Weizen oder Roggen war den Bäckern vorbehalten. Der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer sieht einen weiteren Grund darin, den beruhigenden und zugleich konservierenden Hopfen zum Brauen zu verwenden und andere „aufmüpfige“ Zutaten, etwa Rosmarin, zu verbieten.

Die Freunde des Gerstensafts waren, wie aus anderen Quellen bekannt, im Mittelalter auf abenteuerliche Ideen gekommen, um ihrem Gebräu einen besonderen Geschmack zu verpassen oder es haltbarer zu machen. Um dunkles Bier zu erhalten, wurde kurzerhand Ruß zugegeben. Auch Kreidemehl kam zum Einsatz, um sauer gewordenes Bier wieder genießbar zu machen. Sogar Fliegenpilze zur „besonderen“ Verfeinerung werden überliefert.

Interessanterweise ist bis hier nirgends von Hefe die Rede, obwohl sie für den Brauprozesses unabdingbar ist. Als Grund dafür wird häufig angenommen, dass die Existenz derartiger Mikrooragnismen schlicht noch unbekannt war. Dies stimmt nur insoferne, als die genaue Wirkungsweise der Hefe bei der alkoholischen Gärung unbekannt war. Hefe an sich war bekannt, Brauer gaben einfach das „Zeug“ vom letzten Gärvorgang der neu zu vergärenden Bier-Würze zu. Im Münchner Bäcker- und Brauerstreit war es bereits 1481 darum gegangen, ob die Bäcker den Brauern deren bei der Gärung gebildete Überschusshefe nach altem Brauch abkaufen müssen.

Das „Deutsche Biersteuergesetz“ regelte mit seinem Paragraph 9 das Reinheitsgebot für die Bundesrepublik Deutschland von 1952 ab. Für untergäriges Bier waren Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser als Zutaten zugelassen, für obergäriges Bier waren auch andere Malzsorten sowie definierten Zuckerarten und Farbstoffe erlaubt. Ausgenommen von diesen Regelungen waren schon hier die Hobbybrauer, die Bier nur in ganz geringen Mengen herstellen. Außerdem konnten Ausnahmen gestattet werden für die Bereitung besonderer Biere und für Biere, die zum Export bestimmt waren.

Das Biersteuergesetz regelte weiterhin, zu welchem Zeitpunkten im Brauprozess bestimmte Schritte (zum Beispiel die Zugabe von Wasser) erlaubt waren, und wann nicht.

Dieses Gesetz führt dazu daß z. B. tschechische Brauereien zweierlei Bier brauen: für den deutschen Markt und für den Rest der Welt. Das in Deutschland verkaufte tschechische Bier schmeckt deutlich anders als identische Marken im Ursprungsland.